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Schlange, Sheen und Seibert

1 Apr

Solang es Twitter gibt, genauso lang herrscht mindestens auch schon die Debatte darüber, ob es sich bei dem Microblogging-Dienst um einen sinnvollen Dienst handelt. Von vielen verpönt, von anderen geliebt, hat Twitter die Meinung zur Kommunikation im Netz von Anfang an gespalten. Nur selten haben 140 Zeichen eine solche Welle an Meinungen und Diskussionen mit sich gezogen und für seitenlange Schlagabtausche auf unzähligen Foren, Blogs und Nachrichten-Plattformen gesorgt. Und gerade wenn man als Internet-afiner Nutzer denkt, dass es ruhiger um das zwitschernde Vöglein geworden ist, sorgen schon die nächsten Twitter-Performer für Aufregung. Aktuell handelt es sich dabei um Charlie Sheen, eine Schlange und den deutschen Regierungssprecher Steffen Seibert.

Sicherlich lassen sich noch weitere Accounts nennen, aber bei den drei genannten handelt es sich um eine aktuelle Auswahl der interessantesten. Denn so unterschiedlich diese drei User scheinen, so zeigen sie deutlich, wozu ein Dienst wie Twitter fähig ist und welchen Nutzen man daraus ziehen kann.

Fangen wir mit Charlie Sheen an, der als erfolgreicher Schauspieler in seiner letzten Rolle als cooler Onkel Charlie den Höhepunkt seiner Karriere erreichte und nicht viel später anfing zu fallen. Und er fiel tief, schubste während seines Falls leichte Mädchen in Kleiderschränke und hatte einen zunehmenden Hang zum übermäßigen Drogenkonsum. In Hollywood ist das in der Regel nichts Neues und passiert mit jedem Zweiten. Sheen jedoch hat nochmal die (Flug-)Kurve gekriegt: Nach einem kuriosen TV-Interview über seinen verwegenen Lebensstil, verbreitete er anschließend seine Parolen via Twitter, die sich schnell zum Internet-Mem entwickelten. 1 Millionen Follower in kürzester Zeit sind Rekord und laut erster Angaben verdient Charlie Sheen allein mit dem verfassen von Tweets 1 Mio. Dollar im Jahr. Anstatt sich also nur selbstzerstörerisch fallen zu lassen, bietet sich dank Twitter für die Stars von Gestern eine zweite Karriere-Chance.

Ebenso aus dem Leben ausgebrochen, hat es sogar eine Schlange geschafft, eine kennzeichnende Twitter-Performance hinzulegen. Nachdem eine hochgiftige Kobra aus dem New Yorker Zoo ausbrach, erschien schon kurz darauf ein entsprechender Twitter-Account. Dieser suggeriert, dass die Schlange auf abwägen in New York ihre Verfolger (reale und digitale) auf dem Laufenden hält – und erreichte immerhin über 200.000 Follower innerhalb einer Woche. Ob dies zum tatsächlichen einfangen des Reptils geführt hat, ist fragwürdig, allerdings zeigt dieser Fall doch wunderbar den Unterhaltungs-Durst der allgemeinen Twitter-Schaft und das potential der Reichweite einer durchdachten Twitter-Idee. Die Idee kam in diesem Fall zwar von einem freiwilligen Unbekannten, jedoch führte sie zur Steigerung des allgemeinen Bekanntheitsgrads des Zoos.

Erkennen, Adaptieren, Twittern – so lautet einfach ausgedrückt der Ansatz des Agenda-Settings auf Twitter angewendet. Ob flüchtige Schlange oder fluchender Promi, es besteht immer die  Chance, eine Geschichte weiterzudenken und an ein weites Publikum zu richten. Talent und Schwierigkeit zugleich liegt hierbei darin, möglichst schnell und originell zu sein.

Die beiden vorangegangen Beispiele zeigen bereits deutlich das Potential, das in Twitter steckt. Jedoch sind sie trotzdem nicht gegen das Haupt-Argument der Tweet-Gegner gewappnet: „Das ist doch alles Sinnlos“. Umso erfreulicher ist das dritte aktuelle Beispiel, das sich in der Politik wieder findet. Steffen Seibert, Regierungssprecher im Dienste der Bundesregierung, hat sich vor kurzem dazu entschieden, Twitter als weiteren Kommunikations-Kanal für sein Amt zu nutzen. Die wichtigsten und aktuellsten Informationen, die vom Bundespresseamt bisher nur an den vorhandenen Verteiler verschickt wurden oder per Telefonanruf abgefragt werden konnten, finden nun in 140 Zeichen ihren Weg in die breite Öffentlichkeit. Und die nimmt es an. Die Follower-Zahl ist liegt inzwischen bei über 18.000, und auch die direkte Kommunikation wird über den Twitter-Account von beiden Seiten gern genutzt. Lediglich die Hauptstadt-Journalisten, die es bisher wohl nicht für nötig hielten, sich in die Materie der modernen Kommunikation einzufinden, fühlen sich dadurch auf die Füße getreten und leisten sich einen unterhaltsamen Schlagabtausch mit dem Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans. (Video gibt’s hier). Die dabei geführte Debatte zum Thema, wie wertvoll Nachrichten über Twitter sind und wie sicher dieser Dienst ist, spiegelt die altbewährte Twitter-Diskussion gut wieder. Welche Seite darin besser wegkommt, liegt wohl wie immer im Auge des Betrachters, oder besser: im Tweet des Followers.

Phil